Schönau (POW) Wo muss sich Kirche bewegen? Und wo kann jeder mit seinen Fähigkeiten und Begabungen dazu beitragen? Darüber haben die Gäste einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Kirche im Umbruch“ am Dienstagabend, 2. September, im Garten des Klosters Schönau (Landkreis Main-Spessart) gesprochen. Vor rund 70 Zuhörerinnen und Zuhörern diskutierten Marc Frings, Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Katholikentags-Botschafterin Nadja Kapperer aus Karsbach (Pastoraler Raum Gemünden), Bundestagsabgeordneter Bernd Rützel und Domkapitular Albin Krämer, Bischofsvikar für den Katholikentag, über Herausforderungen und Chancen der Gemeinden vor Ort. Die Veranstaltung fand im Rahmen einer dreitägigen Fahrradtour von Frings von Mainaschaff bis nach Miltenberg im Vorfeld des 104. Deutschen Katholikentags 2026 in Würzburg statt.
Er wolle bei der Radtour „mit Menschen in Kontakt kommen“, sagte Frings. Beeindruckt berichtete er von einem Stopp in der Pfarrei Mariä Geburt im Aschaffenburger Stadtteil Schweinheim, wo ein „kreativer liturgischer Raum“ entstanden sei. „Wir müssen auf unterschiedliche Verständnisse von Partizipation reagieren“, erklärte er. Vieles, was heute selbstverständlich sei, werde in der Kirche nicht abgebildet. Bei der jüngsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung hätten 96 Prozent der Katholikinnen und Katholiken angegeben, dass Kirche sich verändern müsse, „damit ich in ihr eine Zukunft habe“. Frings konstatierte auch, dass das Allgemeinwissen über die Kirche schwinde. Zugleich habe er beim Katholikentag in Erfurt im vergangenen Jahr „viel Leidenschaft und Engagement“ erlebt. Er stellte die Frage: „Wo wird die Kirche sichtbar?“
Kapperer berichtete aus dem Gemeindeleben in Karsbach. Das neunköpfige Gemeindeteam habe zum Beispiel bei der Fußball-Europameisterschaft ein Public Viewing organisiert. Dabei seien nicht nur viele Spenden für die Kirchenrenovierung zusammengekommen. „Wir hatten über 50 Prozent Wahlbeteiligung bei der Kirchenverwaltungswahl“, sagte sie unter dem Applaus der Zuhörer. „Wir haben gezeigt, dass Kirche über den Tellerrand schauen kann.“ Der Pastorale Raum Gemünden sei in Sachen Ehrenamt „gut aufgestellt“, sagte sie. Es gebe aber auch Gemeinden, in denen sich nur wenige engagierten. „Ich wünsche mir einen authentischen und wertschätzenden Umgang mit den Ehrenamtlichen.
Im Publikum saß auch ihr Mann Pastoralreferent Dr. Thorsten Kapperer, Koordinator im Pastoralen Raum Gemünden. Er berichtete von seinen Erfahrungen vor Ort: Den einen seien traditionelle Angebote wie Prozessionen sowie kirchliche Ansprechpartner wichtig, während man andere damit nicht mehr erreiche. „Diesen Zwiespalt auszuloten ist manchmal gar nicht so leicht.“ Es gebe im Pastoralen Raum ein festes Angebot an Gottesdiensten und Wort-Gottes-Feiern, aber auch besondere Veranstaltungen, mit denen man gute Erfahrungen mache.
Domkapitular Krämer betonte den Wert von Gemeinschaftserlebnissen, wie bei der Familienwallfahrt nach Südtirol oder der Ministrantenwallfahrt nach Rom. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer „haben die Erfahrung von Kirche gemacht und gespürt, dass es ihnen gutgetan hat. Wenn das gelingt, ist schon viel gewonnen.“ An „allen Ecken und Enden“ sei spürbar, dass die Zahl der Katholiken zurückginge. Das fordere die Kirche zu einem „Perspektivwechsel“ heraus, erklärte Krämer. „Wir als Getaufte sind alle Kirche. Es ist unser aller Aufgabe, zu schauen, wo wir mit unseren Begabungen unseren Teil beitragen können.“ Das Bistum Würzburg sei den Weg der Pastoralen Räume gegangen. Krämer definierte diese als „Netzwerke mit Knotenpunkten“ – bestehend aus den Gemeinden, den Ehrenamtlichen und allen Menschen vor Ort. Aufgabe des Bistums sei es, die Teams in den Pastoralen Räumen gut zu begleiten, etwa durch Gemeindeberatung oder Geistliche Teamtage. Auch das Ehrenamt müsse gestärkt und gefördert werden.
Rützel ist einer der Moderatoren des konfessionsübergreifenden Gebetsfrühstücks im Deutschen Bundestag. Er betonte die Fachkompetenz der Kirche, etwa bei sozialpolitischen Themen. Als Beispiele nannte er die Diskussion um den Mindestlohn oder die Aufnahme von Flüchtlingen. „Die Kirche muss ein Kompass sein und den Finger in die Wunde legen. Ich wünsche mir eine Kirche, die laut ist und sich einmischt, auch politisch. Das Schlimmste ist, wenn man etwas unter den Teppich kehrt, in der Kirche wie in der Politik“, sagte er. Entschieden wandte er sich gegen Bestrebungen, einen kirchlichen Feiertag zu streichen: „Auf gar keinen Fall! Wir brauchen diese Zeit zur Besinnung und Erholung.“
Zum Abschluss wollte Moderatorin Anna-Lena Ils, Leiterin der Radioredaktion des Bistums Würzburg, von den Podiumsgästen wissen, was sie sich für die Zukunft der Kirche wünschen. Mit Blick auf das Heilige Jahr und das Bistumsmotto „Pilger der Hoffnung“ sagte Domkapitular Krämer: „Ich wünsche mir, dass wir einander Hoffnungsgeschichten erzählen und dass wir die Kraft der Hoffnung für uns entdecken.“ ZdK-Generalsekretär Frings wünschte sich, dass seine beiden Töchter „auch in zehn Jahren noch Lust auf Kirche haben“. Mit Blick auf den Katholikentag 2026 in Würzburg fügte er hinzu: „Dass es mehr Momente gibt, in denen wir freudige Katholiken sind.“
Rützel forderte dazu auf, das Verbindende zwischen den Menschen zu suchen. Nadja Kapperer wünschte sich „dass wir uns in vielen Dingen ein Stück schneller bewegen, damit wir die Jugend nicht ganz verlieren“ und damit verbunden mehr Einfluss für junge Frauen in der Kirche. Sie forderte das Publikum auf, unbedingt den Katholikentag in Würzburg im kommenden Jahr zu besuchen: „Lasst Euch begeistern. Man muss es gesehen haben!“
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